Autoren: Dr. Reinhardt Seidel, Markus Hermann, Ulrich Wittreich

Design for manufacturing (DfM) oder Design for assembly (DfA) ist ein entscheidendes Konzept, um sicherzustellen, dass das Produktdesign gut mit den Merkmalen der nachgelagerten Fertigungsprozesse zusammenpasst.

Entdecken Sie, wie die Anpassung des Spaltverhältnisses die Herstellbarkeit in THT-Lötprozessen verbessert, was zu einer Qualitätssteigerung von 15% und einer Effizienzsteigerung von 20% führt.

Einführung

Die fortschreitende Elektrifizierung ist ein wichtiger globaler Trend. Insbesondere E-Mobilität, erneuerbare Energien und Automatisierung sind große Treiber und erfordern hochleistungsfähige elektrische Systeme, die auf elektronischen Leiterplatten basieren [1]. Wo oberflächenmontierte Bauelemente (SMD) keine ausreichende thermische, elektrische oder mechanische Leistung bieten, ist für Leistungselektronik und Anwendungen mit hoher Zuverlässigkeit die Durchstecktechnik (THT) erforderlich. Aufgrund der Sicherheitsrelevanz der Anwendungen ist die Qualität von größter Bedeutung. In diesen Anwendungsszenarien ist die Lötqualität von höchstem Interesse.

Dieser Artikel zeigt, wie die Dimensionierung der durchkontaktierten Löcher (PTH) angepasst werden kann, um die Prozessqualität und die Robustheit zu verbessern.

1. Das Dilemma des THT-Lötens bei Hochleistungs-PCBs

Thermische Masse und Lötstellenfüllung

Das Wellenlöten dieser THT-Bauteile ist aufgrund des hohen Kupferanteils in modernen Leiterplattenlayouts eine besondere Herausforderung. Aufgrund der ständig steigenden Anforderungen an die Leistungsdichte elektronischer Baugruppen stellt das Löten von THT-Bauteilen eine große Herausforderung dar. Je mehr thermische Masse in den Leiterplatten mit den THT-Stiften verbunden ist, desto schwieriger ist es, den IPC-konformen Lötdurchgang zu erreichen [2]. Darüber hinaus gibt es oft dicht bestückte SMT-Bauteile. Das Design und Layout von THT-Lötstellen hat einen wichtigen Einfluss auf die spätere Lötbarkeit von elektronischen Baugruppen [3].

Einfluss des Designs auf die Lötbarkeit

Wie in mehreren Studien festgestellt wurde, sind das Leiterplattenlayout und das THT-Lötstellendesign der wichtigste Einflussfaktor auf die Qualität und Robustheit des Lötprozesses, gemessen als Lochfüllung [3, 4]. Das bedeutet, dass bereits in der Designphase eines Leiterplattenlayouts die Lötbarkeit der Lötstellen in weiten Teilen vordefiniert wird. Folglich hat der Hebel der Prozessseite kaum eine Chance, schwerwiegende layoutbedingte Lötprobleme z.B. durch höhere Vorheiz- oder Lotbadtemperaturen zu kompensieren.

Das Dilemma besteht darin, dass dieselben Parameter des Leiterplattendesigns, die eine hohe elektrische Leistung ermöglichen, auf der anderen Seite die Lötbarkeit beeinträchtigen. Und letztlich können nur gut gelötete Lötstellen die gewünschte Leistung erbringen. Es muss also ein Gleichgewicht zwischen funktionaler Leistung und Lötbarkeit gefunden werden.

Um die Prozessfenstergrenze weiter nach oben zu verschieben und diesem Dilemma mit tiefem Prozessverständnis zu begegnen, wurde im Rahmen eines akademischen Verbundforschungsprojekts der SIEMENS Elektronikfabrik Erlangen und des Instituts für Fabrikautomation und Produktionssysteme (FAPS) eine eigens konzipierte THT-Studie durchgeführt.

2. Verständnis des Gap-Ratio-Konzepts für die Weiterentwicklung der PCB-Designregeln

Standard-Leiterplattenentwurfsregeln empfehlen einen Standardabstand von 0,2 – 0,3 mm zwischen dem PTH und dem THT-Stift. Dabei wird jedoch vernachlässigt, dass die benötigte Lötenergie mit der Leiterplattendicke zunimmt, da die Lötflüssigkeit ihre Energie auf dem Weg durch den Spalt abgibt.

Die Bedeutung des Spalts beim THT-Löten

Letztlich muss der Lötprozess die Leiterplatte und den THT-Stift über die Liquidustemperatur erwärmen, damit die flüssige Lötlegierung die Oberflächen benetzen und von der Lötseite der Leiterplatte auf die Bauteilseite der Leiterplatte fließen kann. So kann die Lötenergie über höhere Vorheiztemperaturen, längere Löteinwirkzeiten oder höhere Lotbadtemperaturen auf die Leiterplatte und den Pin übertragen werden. Alternativ dazu bietet ein vergrößerter ringförmiger Lötspalt ein größeres Volumen. Der größere Lotvolumenstrom hat eine entsprechend höhere thermische Energiekapazität und trägt somit mehr Energie in die Lötstelle. Dies wurde bereits in einer anderen experimentellen Studie zum selektiven Wellenlöten nachgewiesen [5, 6].

Definition des Gap-Ratio

Anstelle einer festen absoluten Spaltgröße schlägt das Gap-Ratio vor, die Lochgröße als Funktion der Faktoren zu definieren, die sich auf das PCB-Layout und den Prozess auswirken, z. B. PCB-Dicke und Stiftdurchmesser. Die Definition des Spaltverhältnisses ist in Abbildung 2 als das Verhältnis des ringförmigen Spalts zwischen dem Stift und dem PTH im Verhältnis zur Leiterplattendicke und zum Stiftdurchmesser dargestellt. Daneben zeigt Abbildung 2 auch ein typisches Berechnungsbeispiel für die Lochdimensionierung. Bei einem Standard-Lochdesign mit einem Spalt von etwa 0,2-0,3 mm und einer Leiterplattendicke von 1,8 mm ergibt sich ein Gap-Ratio von etwa 17 %. Wird die gleiche Lochgröße auf einer 2,0-mm-Leiterplatte verwendet, führt dies zu einer relativen Verkleinerung des Lochs um etwa 20 %, was 20 % weniger Lötenergie in der Lötstelle bedeutet.

Abbildung 2: Definition des Spaltverhältnisses als Verhältnis des ringförmigen Spalts zwischen dem Stift und dem durchkontaktierten Loch (PTH) im Verhältnis zur Leiterplattendicke und dem Stiftdurchmesser als Maß für die Ähnlichkeit unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Leiterplattendicken

Wie die Studie zum selektiven Wellenlöten in [5] zeigt, ist es für die Qualität des Lots von Vorteil, wenn das Verhältnis mindestens konstant gehalten wird. Darüber hinaus wird gezeigt, dass die Vergrößerung der Lochabmessungen zu einem größeren Lötprozessfenster und einer lötfreundlichen Dimensionierung der THT-Löcher führt.

Mit dieser Maßnahme werden die Eigenschaften des Lötprozesses bereits während des Entwurfsprozesses berücksichtigt. Das ist es, was es bedeutet, Design for Manufacturing (DfM) ernst zu nehmen.

3. Die Gap-Ratio-Studie: Verbesserung von THT-Lötprozessen

Zielsetzung und Forschungshypothese

Das Hauptziel dieser Studie ist die Überprüfung der in [5] aufgestellten Hypothese, dass größere THT-Löcher sowohl eine absolute Qualitätsverbesserung als auch eine bessere Prozessrobustheit bewirken. Dieses Ziel ist in zwei Aspekte unterteilt, die jeweils als Forschungshypothese formuliert sind.

Größere Löcher verbessern die vertikale Lochfüllung erheblich.
Die Lötlochfüllung ist aufgrund der größeren Löcher robuster.

Entwurf des Testboards

Für diese experimentelle Studie wurde eine 320 x 200 mm große und 1,8 mm dicke Leiterplatte mit 4 Lagen und jeweils 70 µm Kupferschichtdicke entworfen. Die Leiterplatte ist in vier Felder unterteilt, um die Verbindung zwischen PTHs und Kupferschichten zu variieren. Wie Abbildung 3 zeigt, ist in Segment 1 nur die Kappenschicht vollständig verbunden, in Segment 2 ist die obere Schicht mit einer Wärmefalle verbunden, in Segment 3 sind die obere und die zweite innere Schicht verbunden und in Segment 4 sind die obere und die zweite innere Schicht mit einer Wärmefalle verbunden. Jedes der Felder wird mit den gleichen Bauteilen bestückt, wobei das Gap-Ratio für jeden Pin an jedem Bauteil systematisch von 15% bis 35% variiert wird. Um realitätsnahe Ergebnisse zu gewährleisten, umfasst die betrachtete Komponentenpalette

Eelektrolytische Kondensatoren
Folienkondensatoren
MosFETs
Spulen
Steckverbinder, Stromanschlüsse, USB-Ports
Batteriehalter

Abbildung 3: Das Gap-Ratio-Board mit 4 Lagen mit 70 µm Dicke und einer Vielzahl von thermisch anspruchsvollen Komponenten

Experimenteller Aufbau

Im Rahmen der Studie wurde die Versuchsplanung für die Lötparameter auf der SEHO PowerSelective mit einem Wellenlötmodul wie folgt variiert:

Flussmittelmenge: wenig, normal, viel
Vorwärmzeit: 60s und 120s
Vorwärmleistung: 80%
Geschwindigkeit des Lötwiderstands: 12 mm/s, 20 mm/s, 30 mm/s
Temperatur der Lötlegierung: konstant bei 265°C

Aus statistischen Gründen wurde der Stichprobenumfang für jeden Parametersatz auf fünf Wiederholungen festgelegt. Insgesamt werden also etwa 90 Leiterplatten gelötet. Für die Analyse der Lötergebnisse werden Röntgenbilder so ausgewertet, dass für jedes Loch die Lötlochfüllung dokumentiert wird, wie in Abbildung 4 dargestellt.

Abbildung 4: Exemplarische Röntgenanalyse der Lötstellenfüllung

4. Ergebnisse und Analyse: Bessere Qualität, Prozessrobustheit und Zykluszeiten bei THT-Prozessen

Die Ergebnisse der Studie werden getrennt nach den Aspekten der Ausgangshypothese dargestellt.

15% Verbesserung der Prozessqualität, gemessen als vertikale Lochfüllung

Die statistische Untersuchung der Lötversuche ist in Abbildung 5 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass das Lückenverhältnis die Lochfüllung deutlich erhöht. Die Varianzanalyse zeigt auch, dass die Lücke statistisch signifikant ist. Darüber hinaus ist zu erkennen, dass der Einfluss des Spaltes weitaus größer ist als die verfügbaren Prozessparameter Flussmittelmenge, Vorheizzeit und Lötgeschwindigkeit.

Abbildung 5: Die Regressionsanalyse zeigt, dass die Auswirkung der Lochdimensionierung auf die Lötlochfüllung deutlich größer ist als die Auswirkung der Maschinenparameter, die den prozessseitigen Energietransfer beeinflussen

Abbildung 6 zeigt beispielhaft die Auswirkung der Lochgröße auf die Lötlochfüllung. Wenn der Lochdurchmesser von 15 % auf 35 % ansteigt, erhöht sich die Lötlochfüllung von etwa 75 % auf etwa 90 %.

Bild 6: Signifikante Verbesserung der Lötqualität durch fertigungsgerechte Lötstellengestaltung von Gap-Ratio

50%ige Steigerung der Prozessrobustheit

Neben der absoluten Zunahme der Lochfüllung zeigen die Daten, dass die Standardabweichung der Lötlochfüllung mit zunehmender Vergrößerung des Spalts abnimmt (Abbildung 7). Dies wurde auch bei den industriellen Produktionsdaten beobachtet, die verschiedene Gap-Ratios auf derselben Leiterplatte vergleichen. In Situationen, in denen der Wartungszustand der Maschine nicht ideal ist, reagieren größere Löcher viel robuster auf solche prozessseitigen Schwankungen als vergleichsweise kleinere Löcher.

Abbildung 7: Die Vergrößerung des Spaltes zeigt eine signifikante Verringerung der Standardabweichung der Lötlochfüllung, was bedeutet, dass die Prozessrobustheit deutlich zunimmt

20%ige Steigerung der Prozesseffizienz/-geschwindigkeit

Wie bereits erläutert, kann die übertragene Lötenergie durch Vergrößerung der PTHs erhöht werden. Wie Abbildung 8 zeigt, wirkt sich der erhöhte Energietransfer direkt auf die Lochfüllung aus, selbst wenn die prozessseitige Energie nicht verändert wird. Vergleicht man die mittlere Lochfüllung (grüne Linie) von 60 Sekunden mit 120 Sekunden Vorwärmzeit, so zeigt sich ein geringer Anstieg der Lochfüllung. Noch interessanter ist, dass ein Spalt von 0,5 mm im Vergleich zu 0,2 oder 0,3 mm ein Plus von gut 15 % bei der Lochfüllung ergibt, während die Lötgeschwindigkeit von 12 auf 30 mm/s drastisch erhöht werden kann. Insbesondere die Möglichkeit, die Vorwärmzeit um 50 % zu reduzieren, ohne dass ein messbarer Qualitätsunterschied entsteht, wirkt sich dramatisch auf die Zykluszeiten und den Energieverbrauch aus.

Abbildung 8: Zykluszeitabhängige Auswirkung der Lochgröße auf die Vorwärmzeit und die Lötgeschwindigkeit (bzw. Lotkontaktzeit)

5. Validierung mit einem realen Industrieprodukt

Diese Ergebnisse konnten auch mit einer industrietauglichen Baugruppe als echtes High-Runner-Produkt in der industriellen Fertigungsumgebung validiert werden. Für diese Validierung im Multiwellenlöten wurden die THT-Löcher des jeweiligen Produktes vergrößert. Die Lötergebnisse sind in Abbildung 9 zu sehen. Die durchschnittlichen Lochfüllungen für vergrößerte Löcher waren um 15% besser, die Prozessvarianz um 50% geringer und die Lötkontaktzeiten konnten an kritischen Lötstellen um 20% schneller gewählt werden.

Bild 9: Validierung mit einem Serienprodukt im Siemens Elektronikwerk Erlangen mit deutlicher Verbesserung von Taktzeit, Qualität und Prozessrobustheit durch größere THT-Löcher

6. Design for X: Wie sich Gap-Ratio auf die Elektronikindustrie auswirkt

Entwurf für die Fertigung (DfM)

Nimmt man das Design for Manufacturing ernst, so bedeutet dies, dass die PTH-Abmessungen so gewählt werden müssen, dass die Eigenschaften des Lötprozesses gut auf das Leiterplattenlayout abgestimmt sind. Für THT-Wellenlötprozesse bedeutet dies, dass das Gap-Ratio der beste Weg ist, um DfM in Leiterplatten mit THT-Komponenten und THT-Wellenlötprozessen einzusetzen.

Design für Nachhaltigkeit (DfS)

Es konnte gezeigt werden, dass das Design von THT-Lötstellen einen dominanten Einfluss auf die Lötprozesse hat. Insbesondere der Lötenergiebedarf von anspruchsvollen THT-Lötstellen hat einen dramatischen Einfluss auf die löttechnische Energiebilanz der Leiterplatte.

Schlussfolgerung

Die Untersuchung des THT-Spaltverhältnisses als Maß für die THT-Lochdimensionierung umfasst die Variation und insbesondere die Vergrößerung der THT-Löcher im Vergleich zu den heute üblichen Spaltmaßen zwischen Bauteilstift und Bohrung. Die Ergebnisse der THT-Studie mit verschiedenen Bauteilen zeigen, dass die Prozessqualität und Prozessrobustheit durch eine geeignete Gestaltung der THT-Lötstellen um 25% gesteigert werden kann. Darüber hinaus können die Prozesszeiten verkürzt und das Löten energieeffizienter gestaltet werden.

Ausblick

Stehen Sie vor Herausforderungen in Ihren THT-Lötprozessen und suchen Sie nach Möglichkeiten zur Verbesserung von Qualität und Effizienz? Die Erforschung der Gap-Ratio-Optimierung beim Leiterplattendesign könnte der Schlüssel zu erheblichen Verbesserungen in Ihren Fertigungsabläufen sein.

Machen Sie den nächsten Schritt:

Weitere Informationen: Erfahren Sie mehr über die Gap-Ratio-Optimierung und wie sie Ihre THT-Lötprozesse revolutionieren kann.
Beratung: Suchen Sie nach spezialisierten Experten für die Optimierung des THT-Lötens, um diese Strategien effektiv umzusetzen.
Verbessern Sie Ihre Prozesse: Erzielen Sie eine Verbesserung der Lötbarkeit um bis zu 50 % und senken Sie die Herstellungskosten, indem Sie die besten Verfahren zur Dimensionierung von PTH-Löchern anwenden.

Denken Sie darüber nach, Ihre Regeln für das Leiterplattendesign anzupassen, um den Lötprozess zu optimieren und Ihren Kunden Produkte von höchster Qualität zu liefern.

Referenzen

[1] J. Franke, L. Wang, K. Bock, und J. Wilde, "Electronic module assembly," CIRP Annals, vol. 70, no. 2, pp. 471-493, 2021, doi: 10.1016/j.cirp.2021.05.005.

[2] Abnahmekriterien für elektronische Baugruppenn, IPC-A-610F, IPC – Association Connecting Electronics Industries, Bannockburn/USA.

[3] R. Seidel, T. Ahrens, J. Friedrich, A. Reinhardt, und J. Franke, "Experimental identification and prioritization of design and process parameters on hole fill in mini wave soldering", Microelectronics Reliability, vol. 131, p. 114497, 2022, doi: 10.1016/j.microrel.2022.114497.

[4] R. Seidel, "Modellbasierte Optimierung des Selektivwellenlötprozesses", 2023.

[5] R. Seidel, C. Kästle, M. Ockel, und J. Franke, "Impact of THT-hole dimensioning on manufacturability in selective wave soldering", Microelectronics Reliability, vol. 137, p. 114773, 2022, doi: 10.1016/j.microrel.2022.114773.

[6] R. Seidel, Bessere Qualität, Prozessrobustheit und Zykluszeiten in THT-Prozessen, https://deeptronics.io/hello/better-quality-process-robustness-and-cycle-times-in-tht-processes/